Montag, 23. Juli 2012: Eine große, dicke, schwarze Wolke…

 

…legte sich diese Woche über Hurghada. Roswitha ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die genauen Umstände bzw. was wirklich passiert ist, war vorerst noch nicht bekannt. Ich bekam am Sonntagmittag einen Anruf von Evelyn, einer gemeinsamen Bekannten aus Luxor, ob ich etwas weiß, dass Rosi angeblich tödlich verunglückt ist. Sie hat von Rosis Tochter davon erfahren, bei der waren am Vormittag deutsche Polizeibeamte vor der Wohnungstüre. Ich habe dann mit der Tochter noch gesprochen und ihr gesagt, sie möge sich doch an das deutsche Konsulat in Hurghada wenden, um irgendeine Information zu bekommen. Ich habe mit Said telefoniert, der mir ebenfalls Hilfe zugesagt hat, da er den Polizeipräsidenten von Hurghada kennt. Leider ist der Polizeipräsident momentan in Urlaub und daher nicht erreichbar. Ich habe aber über die Guest Relation ihres Hotels und am Abend bei einem persönlichen Gespräch in der Polizeistation einige, für uns sehr traurige, Informationen bekommen. Rosi ist am Heimweg von einem gemütlichen Poolnachmittag mit anschließendem Barbecue bei uns, ca. 150 m von unserer Villa entfernt, beim Überqueren der Hauptstraße in ein unbeleuchtetes Auto gelaufen. Sie wurde zwar noch ins Krankenhaus gebracht, starb dort aber ein paar Minuten später. Das ganze spielte sich fast in der Nachbarschaft ab und wir haben nichts mitbekommen!! Ich mache mir irgendwie große Vorwürfe. Hätte ich sie doch nur begleitet, wäre ich doch nur ein Stück bis zur Hauptstraße, bis das sie im Taxi gesessen ist, mit ihr gegangen – wäre dieser Unfall vielleicht nie geschehen!

 

Rosi, ich habe dich kennenlernen dürfen - leider viel zu kurz. Die gemeinsamen Unterhaltungen über e-mail und unsere Gespräche werde ich aber nie vergessen.

Montag, 6. August 2012: Die koptische Bestattung für Rosi…

 

Diese Woche war geprägt von Telefonaten und Rennereien um Rosis Familienangehörigen hier vor Ort zu helfen. Ich bin nur zwischen der Polizeistation und ihrem Hotel (wegen dem Gepäck) hin und hergerannt, dazu kamen unzählige Telefonate mit ihrer Tochter und Ely, dem dt. Konsul, wegen der Überführung. Leider hat Rosi zwar den Urlaub, aber nicht die Versicherung verlängert. Zusätzlich hat sie im Vorfeld schon alle Versicherungen gekündigt, sodass niemand für die Kosten einer Überführung aufgekommen ist. Nach langen Telefonaten habe ich ihre Angehörigen davon überzeugen können, dass sie wahrscheinlich (sowie 99% der Expats) hier bestattet werden will. Sie wollte in ihrem Lieblingsland leben und wahrscheinlich auch hier ewig bleiben.

 

Schließlich waren auch ihre Angehörigen dieser Meinung und so kam Jenny, ihre Tochter, am Montagnachmittag aus Deutschland, um am Dienstag bei der Bestattung teil zu nehmen.

 

Montag hab ich noch die ganze Zeit telefoniert um hier noch die letzten Kleinigkeiten zu regeln. Hr. Ely, der deutsche Konsul hier in Hurghada, war uns wirklich eine „Riesenhilfe“. Er gab weder Jenny noch mir irgendwelche konkreten Infos, das einzige das ihn wirklich interessierte war, ob das Geld rechtzeitig aus Deutschland überwiesen wird.

 

Danach habe ich Jenny vom Flughafen abgeholt und wir sind einmal zu mir gefahren. Ely hat zu Jenny gesagt, sie soll ihn anrufen, wenn sie hier ist. Haben wir natürlich sofort gemacht, aber auch da haben wir nichts erfahren, außer, dass es sein kann, dass die Beerdigung doch nicht am Dienstag stattfindet. Wir sollen morgen Vormittag wieder anrufen! Jenny war echt verzweifelt, weil sie ja den Rückflug für Donnerstag gebucht hatte. Elke, Riki, Jenny und ich sind dann einige Zeit im Garten gesessen und haben geredet, da ja Rosis Tod direkt bei der Heimfahrt von unseren Barbecue war. Das hat dem Mädel wirklich gutgetan. Danach sind wir etwas Essen gegangen und Jenny und ich sind noch ins Jazz.

 

Ayman hat mir versprochen ihr zu helfen. Sie hatte ja bis auf wenige Einzelheiten bisher keine richtigen Infos über den Hergang des Unfalls und natürlich viele, viele Fragen. Ayman hat dann nach einigen Telefonaten geschafft, dass der Polizeipräfekt der Polizeistation 1 ins Jazz kommt, und als Übersetzer für die Fragen gedient. Ayman war da wirklich super und ich möchte mich hier noch mal bei ihm bedanken. Sie hat zwar nicht alle Fragen so richtig beantwortet bekommen, aber das lag sicher nicht an einer "Verschleierungstaktik". Wir wissen bis heute nicht, wo genau der Unfall passiert ist (wir haben zwar eine Vermutung) aber im Polizeiprotokoll heißt es einfach "Mubarak 6" – und das ist ungefähr so, wie wenn es heißt: in Linz, am Bindermichl!!

 

Wieder zuhause haben Jenny und ich noch lange über Rosi und ihr "altes" bzw. "neues" Leben diskutiert.

Nach einer relativ kurzen Nacht haben wir dann gegen 9:00 von Ely erfahren, dass die Beerdigung doch heute stattfindet. Wir sollen uns um 13:00 beim General Hospital in Dahar einfinden. Dort warten schon Leute die alles erledigen, er kann leider nicht kommen. Ich habe dann noch einige Leute angerufen, ob sie nicht kommen wollen, aber das war einfach zu kurzfristig. So sind Jenny, Riki und ich halt zuerst um die Blumen (ihre bestellten Lieblingsblumen, weiße Lilien) und dann mit dem Taxi zum General Hospital. Was uns dort erwartete, war der blanke Wahnsinn. Sowohl an der Rezeption, als auch sonst keiner konnte englisch. Wir wurden von einer Ecke in die andere verwiesen. Wir waren schon fast am Durchdrehen, die Uhr raste Richtung 13:00 und wir wurden hier im Kreis geschickt. In dem Gewirr von Menschen fanden wir endlich Einen, der uns zu einer freundlichen Ärztin brachte, die etwas englisch konnte. Diese brachte uns dann zu einem Ägypter, der anscheinend diese Beerdigung koordiniert. Er ging dann mit uns zum Leichenhaus wo schon zwei andere Ägypter warteten. Alle drei konnten außer ein paar Brocken auch kein Englisch. Sie schlossen auf und öffneten dann das "Kühlfach" mit Rosi. Eigentlich wollte Jenny ihre tote Mutter ja nicht mehr sehen aber sie hat das irgendwie falsch verstanden als die irgendwie in ein paar Brocken englisch fragten, ob sie Rosi noch mal sehen will. So machten die beiden den Leinenleichensack und die Plastiktüte auf. Ihr Kopf war komplett einbandagiert und diese Bandage ließ sich nur mehr bis zum Oberkiefer runterschieben. Darunter war alles Blutverkrustet und verklebt. Wahrscheinlich war es gut so, denn am Oberkopf hatte sie nur eine Platzwunde an der Stirn und so blieb Jenny ein schlimmerer Anblick erspart.

 

Danach passierte einmal gar nichts.

Auf einmal rollte ein weiß-blauer Minibus an und in den wurde der Sarg, in den Rosi inzwischen gebettet wurde, geschoben. Aber was jetzt weiter passiert wussten wir nicht. Da rief mich die Sekretärin vom Konsul an und fragte, ob wir schon im Krankenhaus sind. Auf meine Frage, wie es jetzt weitergeht, sagte sie mir, es geht jetzt zuerst in eine koptische Kapelle zum Gottesdienst und dann zum Friedhof. Auf die Frage wie wir dahin kommen, sagte sie so ganz lapidar: "nehmen sie sich ein Taxi und sagen dem Fahrer er soll dem Bus folgen" - das war es! Wie wir das dem "Organisator“ begreiflich machen wollten, hat uns der aber mit Händen und Füßen gedeutet, wir sollen im Leichenwagen mitfahren. O.k., es gab einen Sitz neben dem Sarg. So setze sich Jenny neben dem Sarg ihrer Mutter und Riki und ich setzten ins auf die Notsitze am Motorblock - vorne saßen ja die Ägypter. So ging es dann über Stock und Stein quer durch Dahar zu einer Kapelle. Da die Fenster verkleidet waren, wussten wir nicht wo wir waren. Dort hieß es wieder warten, bis der "Organisator" den koptischen Pfarrer aufgetrieben hat. Danach ging es in die Kapelle. Der Pfarrer und sein "Vertreter" beteten und sangen dann 20 Minuten arabische Gebete und Lieder, die wir natürlich nicht verstanden. Das war es!

 

Dann wurde der Sarg wieder in den Wagen verladen, wir nahmen wieder unsere "Sitzplätze" ein und ab ging es zum Friedhof. Wieder über Stock und Stein und ohne Aussicht ging es 20 Minuten Richtung Sakalla, zum koptischen Friedhof. Dort angekommen, waren wir etwas schockiert. Dieser Friedhof schaut eher nach Baustelle aus und hat mit einem europäischen Friedhof rein gar nichts zu tun. Einzige Gleichheit ist die Ummauerung. Kopten werden nicht begraben, sondern in einer Art Gruft bestattet. Diese "Mauerkobel" sind einfach gemauerte, aber sehr große "Höhlen" mit einer abschließbaren Blechtüre. So gingen wir halt zum für Rosi vorgesehen "Kobel" und dort wurde sie vom Auto in diesen Kobel gehieft. Dann wurde die Blechtüre mit einem Vorhangschloß versperrt und das war es. Da ihr Sarg ganz hinten gelagert wurde, bin ich mir zu 100% sicher, dass da sicher noch zig Särge eingelagert werden. Anschließend wurden wir noch nach Sakalla "chauffiert", wo wir für diesen Dienst 200!! Pfund zahlen sollten. Naja, es war ja fast klar, dass dieses Ereignis noch im Streit endet.

 

Wir setzten uns ins Samos und diskutierten noch bei einem Getränk die vergangen 2 Stunden. Nach dem chaotischen Beginn im Krankenhaus hatten wir nicht mehr gedacht, dass das Begräbnis stattfindet. Für diesen Start muss man allerdings sagen, dass es zwar chaotisch herging, aber dennoch so Art organisiert war. Kopten haben einfach eine andere Art mit Toten umzugehen. Die ganze Zeremonie war sicher aus europäischer Sicht nicht sehr würdevoll, sondern eher auf den "Endzweck" ausgerichtet. Vielleicht wird aber in Europa der Totenkult auch übertrieben?

 

Nach einer Regenerationspause daheim fuhren Jenny und ich zum Hotel um Rosis Gepäck zu holen. Es hieß zwar wir sollen um 18 Uhr da sein, aber im Hotel erfuhren wir, dass der Manager erst um 19:30 Zeit hat - "Frühstück" während Ramadan!! So lud uns Conny von der Guest Relation zum Essen im Hotel ein. Dann war es soweit. Nachdem der "Papierkrieg" erledigt war wurden wir in Rosis Zimmer geführt. Mann o Mann, hatte Rosi schon viel mitgenommen und auch hier schon viel eingekauft. Wie ich Rosi vom Flughafen abgeholt habe, hatte sie zwei riesige und einen kleinen Koffer. Die zwei "Riesen" wollte sie bei mir zwischenlagern, aber einer der Koffer war verschwunden. So packten wir den einen Riesen und den Kleinen voll und den Rest in zig Plastiksackerln. Es wurde alles penibel dokumentiert, vor allem von den Sachen im Safe. Als alles eingepackt war ging es zurück in die Rezeption, wo Jenny noch die Übergabeprotokolle unterschreiben musste. Danach brachte uns ein Bellboy das Gepäck zum Ausgang und von dort ging es, nach etwas Problemen beim Verstauen, mit einem Hoteltaxi zu mir. Der Weg zum Ausgang war wirklich ein "Blick-Spießrutenlauf". Vor uns der Bellboy mit den zig Plastiksackerln, dahinter wir, vor allem Jenny, trauriger Blick und einige sichtbare Tattoos - und das in einem gehobenen Hotel. Die Leute schauten uns an, wie wenn wir rausgeworfen würden, so Quasi, jaja Asi können sich so ein Hotel nicht leisten!

 

Bei mir in der Wohnung begannen wir ihr Gepäck zu sortieren. Getragene und verbrauchte Dinge wurden weggeworfen, den Rest sortierten wir. Die meisten Kleider und Schuhe sind neu, auf manchen Sachen ist noch der Preiszettel, sie hat das alles in den letzten Wochen neu gekauft! und es wäre schade, diese schönen Sachen einfach wegzuwerfen, noch dazu in Ägypten. Einige persönliche Dinge hat Jenny natürlich mitgenommen. So wurde es auch am Dienstag wieder sehr spät, aber wir haben alles geschafft, sodass Jenny am Mittwoch wenigstens einen Tag zum "Runterkommen" und Erholung nach 10 Tagen Stress hat.

 

Am Mittwoch machten wir uns wirklich einen gemütlichen Tag. Jenny war noch nie im Ausland und wollte daher unbedingt das Meer sehen. So gingen wir am Vormittag am Strand. So ein richtig fauler Vormittag mit liegen am Strand und: ihr erster Kontakt mit dem Meer. Dass man sich fast nicht bewegen muss um nicht unterzugehen gefiel ihr, der Geschmack und das Brennen in den Augen vom Salzwasser weniger. Als es am Strand zu heiß wurde, ging es noch auf einen kleinen Snack und danach wieder heim zu mir. Nach einem Sprung in den Pool machten wir uns für den Abend fertig. Ich hatte heute noch einen Termin bei einem Rechtsanwalt ausgemacht, um zu erfahren, wie das Ganze jetzt weitergeht. Er informierte sie sehr ausführlich, da er sehr gut deutsch spricht und sie Rechtsanwaltsgehilfin ist, verstanden sich die Beiden auf Anhieb. Ob es sich allerdings auszahlt hier gerichtliche Schritte einzuleiten wollte sie noch mit ihrer Schwester besprechen. Damit hier Beförderungsunternehmer eine Genehmigung bekommen, müssen sie zwar eine Versicherung abschließen, aber recht viel schaut auch dabei nicht raus. Vielleicht 1.500 Euro (aber auch nur weil Rosi Westeuropäerin war) – und das bei einem tödlichen Unfall!!! Da sieht man wieder, wie viel Wert hier ein Menschenleben ist! Abzüglich der Anwalts und Gerichtskosten bleibt eigentlich nichts mehr über!

 

Nach dieser ernüchternden Auskunft gingen wir noch auf Wunsch von Jenny (ich machte es nur ihr zuliebe) zum Mc Donalds. Ich habe hier herunten noch nie so schlecht gegessen, mein Trost war nur, dass es auch ihr nicht sonderlich schmeckte. Denn Abend ließen wir noch gemütlich bei einer Shisha ausklingen. Gegen Mitternacht fielen uns aber schön langsam die Augen zu, es waren doch sehr stressige Tage mit relativ kurzen Nächten.

 

So war es auch nicht verwunderlich, dass wir am Donnerstag verpennten. Ich wurde erst um 9:00 munter, somit hatten wir noch Stress, da für 10:00 das Taxi bestellt war. Sie wollte sich noch bei Riki und Elke verabschieden, aber das ging sich zeitlich einfach nicht mehr aus. Ich fuhr noch mit zum Flughafen und brachte sie bis zum Röntgengerät wo wir uns dann verabschiedeten.

 

 

 

Es war leider ein sehr trauriger Anlass für Jennys ersten Auslandsaufenthalt, aber ihr hat Ägypten gefallen und sie will sicher nächsten Frühling auf Urlaub kommen. Diesmal aber mit Freund und Sohn und dann die Tage hier so richtig genießen.